Es sollte eine grosse Sache werden: die nächste illegale Project X Party in den Drei Weiern. Dabei wurden alle potentiellen Teilnehmer/Innen im Vorhinein schon einmal als kriminell und gewaltbereit eingestuft. Schliesslich kamen rund 70 Personen, nicht viel mehr als an einem normalen 1. August-Vorabend.
Dass diese Veranstaltung vor allem die Polizei und besorgte Nachbarn beschäftigte ist bedenklich, veranschaulicht sie doch einige aktuelle Tendenzen und Thematiken:
Nach „Tanz dich frei“ in Bern und einigen Folgeveranstaltungen in weiteren Schweizer Städten verwundert es kaum, dass auch St.Gallen von der äusserst heterogenen Bewegung erfasst wurde. Auch St.Gallen spürt seit Jahren, dass Nachtkultur und gewisse Subkulturen per se zu einem Problemfaktor degradiert werden. Auch in St.Gallen sind bestehende Institutionen wie Clubs, Bars und Kulturzentren in ihrer Existenz bedroht, kämpfen um Öffnungszeiten, welche den Ansprüchen des Kulturpublikums gerecht werden und auch in St.Gallen wird der öffentliche Raum immer mehr reglementiert und wirtschaftlichen und sozialen Zwängen unterworfen. Wenn man den Anspruch hat, für einen Abend neben Gastro-Mogulen, verschiedenen Banken und dem motorisierten Privatverkehr den Marktplatz mit zu beanspruchen und für sich zu nutzen, geht es auch um Demokratie.
Es passt aber auch ins Bild, dass nach Veranstaltungen wie der ersten Project X Party negative Begleiterscheinungen, die es zweifelsohne gab, höher gewichtet werden als die Botschaften und die Forderungen, die dahinter stecken und eben auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. Und so spricht man über Flaschenwürfe, Abfallberge und über den Polizeieinsatz, anstatt sich zu fragen wieso 500 Jugendliche und Junggebliebene sich an einem exponierten Ort wie dem Marktplatz treffen.
Aktionen wie das Project X zeigen klar auf, dass nach wie vor kulturelle Bedürfnisse bestehen, die keinen Platz haben, ausgelebt zu werden. Sie zeigen auch, dass es bei grossen Menschenansammlungen immer Leute geben wird, die sich destruktiv verhalten. Sie zeigen aber vor allem, dass man mit Schubladisierungen, Verallgemeinerungen und dem Fakt, dass man die Diskussionen Polizeikommandanten und Hardlinern überlässt, keinesfalls weiterkommt. Die Geschehnisse der letzten drei Wochen zeigen auch auf wie destruktiv die Behörden, aber auch die Öffentlichkeit, reagieren und kulturelles Verständnis und Fingerspitzengefühl vermissen lassen, wenn man die Nachtkultur plötzlich auf den Strassen hat. Eine realistische Entwicklung, wenn man die Problematik rund ums KuGl und andere Clubs verfolgt.
Die Idee von Stadtrat Nino Cozzio, Jugendbewilligungen einzuführen, ist lobenswert und zeugt von einer gewissen Dynamik. Jedoch stellt sie für uns nicht die Lösung der Probleme dar. Mit Bewilligungen wird man der Komplexität der kulturellen Ansprüche und auch dem Verlangen nach Freiheit und Freiraum nicht gerecht.