Es geht um sein Lokal, seine finanzielle Existenz. Daniel Weder, der Geschäftsführer des Kugls, ist dafür verantwortlich, dass wir seit nunmehr sieben Jahren Kultur am Gleis geniessen können.
Im Klartext-Interview spricht er über die Geschichte des Kugls, nimmt Stellung zum Verhalten der Stadt und philosophiert über die Zukunft.
Er wirkt angespannt und geladen mit Emotionen. Schlägt sich enttäuscht die Hände vor das Gesicht, wenn er vom vermeintlichen Aus des Kugls erzählt, lebt jedoch wieder auf und lacht, wenn er über den Glauben an bessere Zeiten spricht.
Ein Wechselbad der Gefühle wiederspiegelt sich in diesen 45 Minuten während des Interviews.
Klartext: Das Kugl gibt’s ja schon ziemlich lange. Es interessiert viele Personen wie das Ganze entstanden ist. Es gibt ja den Mythos ihr hättet mit Strassenaktionen begonnen. Wie war es wirklich?
D.W: Mythos klingt schön. Angefangen haben wir mit privaten Garagenpartys, hatten immer Stress mit der Polizei. Es folgten auch kleinere Openairs. Irgendwann wurden uns die Räumlichkeiten genommen und wir suchten irgendetwas Festes und so kamen wir zum Güterbahnhof.
Wenn das Kugl wirklich schliessen muss, was wäre für dich das Schlimmste, resp. was würdest du vermissen?
Es würde mir natürlich vieles fehlen, aber das wären Dinge die immer wieder ersetzt werden könnten durch neue Sachen. Ich hoffe, dass es weitergehen wird und ich versuche mir immer eine realistische Möglichkeit - ein realistisches Szenario - auszudenken, wie die Zukunft aussehen könnte. Aber ich bin mir immer bewusst, dass es, auch wenn es hier enden würde, auf irgendeine Art weitergehen wird.
Für mich als Einzelperson wäre das Schlimmste das Geld. Die finanzielle Lage wäre katastrophal. Aber es enttäuscht mich auch, dass ich den Leuten vielleicht schon bald keine Kultur und keinen Spass mehr bieten kann. Mut macht mir genau diese Aktion von Klartext. Es zeigt dass die Power vorhanden ist, dass wieder etwas Derartiges entstehen könnte.
Hast du die Power noch?
Jene Power, die es gebraucht hat um das Kugl an diesen Ort zu bringen wo es jetzt steht, hätte ich wohl nur, wenn sich die Umgebung verändert. Wenn das Umfeld dir Energie gibt, kannst du selber auch wieder Energie tanken. Dann geht’s. Veränderungen sind jetzt auf jeden Fall angebracht.
Wie geht es weiter nachdem nun offiziell die Einsprache gegen das Baugesuch eingegangen ist?
Jetzt wird die ganze Sache wieder von Instanz zu Instanz gehen, bis vor das Bundesgericht.
Wie stehen die Chancen?
Die Chancen stehen gut. Die grosse Frage ist wann. Wann kann man die neue Baueingabe als Rechtskräftig betrachten? Wenn das erst im Dezember 2011 ist, sind das 4 oder 5 Monate in denen wir keine Bewilligung haben.
Wäre das das Aus für das Kugl?
Wir sind nun mit der Stadt in Verhandlungen, wie man das Kugl noch über Wasser halten könnte. Es wäre möglicherweise das Aus für die Firma hinter dem Kugl, die Projektikum GmbH. Wie schon gesagt, man muss einfach flexibel sein und vorausdenken.
Gibt es da bereits Pläne seitens der Stadt oder von dir?
Wir haben Pläne ausgearbeitet. Dabei ziehen wir eine Vereinsgründung in Betracht, um mit diesem dann wieder Neues zu produzieren. Dies hätte auch finanziell viele Vorteile.
Als dir Klartext vorgestellt wurde, hast du stets betont, dass es hier nicht nur ums Kugl an sich geht, sondern vor allem um die Jugendkultur. Was liegt dir an dieser Kultur? Warum ist dir das genauso wichtig wie das Kugl?
Die Jugendkultur ist mir noch viel wichtiger als das Kugl. Jung sein, was unternehmen, zu erleben und sagen zu können: ‚Das gehört zu uns!‘, das ist es, was mich dazu gebracht hat, das Kugl aufzubauen. Ich finde einfach, die Jugend ist die Zukunft unserer Welt. Die Jugend in der Schweiz hat es natürlich traumhaft schön im Vergleich zu Jugendlichen irgendwo anders. Aber das soll nicht bedeuten, dass alles gut ist, was passiert. Ich denke wenn das Kugl weg ist, ist das Problem nicht gelöst.
Die Jugend ist einfach etwas, woran man als Mann mit 36 Jahren gerne zurückdenkt und irgendwie fühlt man sich immer noch ein wenig jugendlich und will dies auch bleiben. Umso mehr man sich mit dieser Kultur in Verbindung setzt und mit Jüngeren und Junggebliebenen lebt und versucht sie zu verstehen, wie sie sind und wieso sie so sind, bleibst du selber jung. Ich habe noch keine eigenen Kinder und deshalb seid ihr meine Ersatzkinder. (lacht)
Thema Stadt: Von vielen Seiten hört man, dass mit dem Palace, Flon oder der Grabenhalle genügend Platz vorhanden sei, wo sich die Jugend entfalten kann. Wie stehst du dazu?
Es sind einfach zu viele Jugendliche für diese Angebote. Das Palace und die Grabenhalle bedienen eine ganz andere Art von Kultur als das Kugl und spricht somit auch andere Personen an. Und wenn wir von Gästen sprechen, die auch mal etwas jünger sein dürfen, hebt sich das Kugl ganz klar von den anderen ab. Die Stadt wird grösser und die Jugendlichen fordern immer mehr Abwechslung, da bietet die Stadt einen Teil, aber halt eben nur einen Teil.
Kultur wird zerstört und nichts wird dagegen gemacht. Liegt es daran, dass die Stadt das Sorgenkind ‚Jugend‘ nicht unterstützen möchte?
Eher weniger. Man muss hier auch die Stadt ein wenig in Schutz nehmen. Sie ist dazu verpflichtet der Kultur Platz zu bieten, sodass diese sich frei entfalten kann, darf sie aber gleichzeitig nicht zu fest beeinflussen. Das ist ein schmaler Grad.
Beim Palace oder der Grabenhalle wird ein Grundkonzept erwartet, welches die Leute selber erarbeiten müssen und dieses dann umsetzen sollten. Dies ist ein Konzept, welches dann auch auf politischer Ebene abgesichert und abgesegnet ist. Dies kann durchaus ein Hemmnis sein, welches wir nicht haben.
Je grösser die Stadt wird, desto schwieriger wird es, allen Menschen Kultur zu bieten. Unsere Idee war, unabhängige Kultur zu produzieren. Ich denke, dass ist auch das Prinzip der Zukunft. Es wird immer mehr so gemacht werden. Die Stadt kann nicht alles finanzieren. Und wer entscheidet denn schon was Kultur ist und was nicht? Für viele Leute ist das Kugl zur Kultur geworden.
Rechtlich hat man sich durch viele Lücken und Fehler geschlungen. Fehler sind auf beiden Seiten unterlaufen. Erzähl uns wie es dir im Krieg der Paragraphen geht?
Einerseits weiss ich wie das ganze politisch läuft; du kannst nicht hingehen und sagen: Jetzt stehen wir voll hinter dem Kugl. Denn es steht noch viel mehr dahinter. Die Politik muss sich dann auch vor jenen rechtfertigen, die nicht die gleiche Ansicht haben wie ich.
Trotzdem ist es ein Bewilligungsfehler auf dem der ganze Kampf überhaupt ausgefochten wird. Ich als Daniel Weder, ich als Kugl, ich als Projektikum GmbH kann nichts für diesen Fehler. Und deshalb erwarte ich von der Stadt eigentlich volles Engagement und das habe ich als Firma oftmals nicht gespürt. Das brachte mich manchmal zur Weissglut. Es bleibt mir aber nichts anderes übrig, als die bittere Pille zu schlucken und mir immer wieder zu sagen: ‚Es gibt immer einen Weg.‘ Man kann immer etwas verantwortlich machen dafür, dass etwas nicht so gekommen ist wie man es gern gehabt hätte, aber dann muss man einfach nach vorne schauen und sich auf sich selber konzentrieren.
Heisst das, du hast wort- und tatenlos zugeschaut wie sich die Stadt ihrer Verantwortung entzieht?
Natürlich nicht. Ich habe dann einfach mehr Druck ausgeübt und ihr tragt mit der Petition einen grossen Teil dazu bei. Genau so funktioniert es, das ist Demokratie. Miteinander einstehen und sagen: ‚Hey, das wollen wir nicht.‘ So kann man was erreichen.
Ich hätte mir nie vorstellen können, was hier alles passiert. Wenn mich manchmal jemand fragt, was ich dazu meine, was das Kugl für eine Solidaritätswelle ausgelöst hat, weiss ich einfach nicht mehr zu sagen, als dass es geil ist. Ich bin einfach nur stolz auf all jene, die Teil dieser ‚Entwicklung‘ sind.
Klartext gab im Interview mit dem St.Galler Tagblatt zu verstehen, dass man sich von der Politik alleingelassen fühlt. Ausser ‚W ir stehen hinter dem Kugl‘ kam nie ein Statement der Stadt.
Das verstehe ich auch nicht. Anscheinend geht das nicht, aus welchen Gründen auch immer. Da hätten wir zum Beispiel Herrn Scheitlin, der Stadtpräsident ist, oder Frau Eberhard, welche im Stadtrat zuständig für Bildung, Sport und Jugendarbeit ist. Egal wer, irgendjemand hätte sich dazu äussern müssen. Vor allem nachdem Klartext in allen Medien präsent war und gezeigt hat, dass etwas gemacht wird, hätte eine Reaktion folgen sollen. Dieses Stillschweigen der Stadt finde ich unglaublich schade.
Die Polizei erteilte uns bei der Lancierung der Petition die Musikbewilligung nicht, mit der Begründung das Kugl habe einen kommerziellen Hintergrund. Natürlich möchtest du mit dem Kugl dein tägliches Brot verdienen, doch wie kommerziell ist es aus deiner Sicht wirklich?
Rein rechtlich sind wir eine GmbH und somit kommerziell. Daran gibt es nix zu rütteln. Wenn man aber glaubt, das Kugl sei eine Goldgrube, liegt man extrem falsch. Ein Teil des Gewinns geht ja schon wieder drauf, um die kulturellen Anlässe unter der Woche querzufinanzieren.
Das Schlimme an dem Entscheid, dass an diesem Samstag keine Musik gespielt werden durfte ist, dass Leuten die Hände gebunden werden, die sich für etwas einsetzen. Sie haben euch sozusagen unterstellt, dass ihr das nicht aus Eigeninteressen organisiert, sondern dass das Kugl dahinter steht. Und bei dieser Entscheidung ohne Hand und Fuss kann ich nur noch den Kopf schütteln.
Wir hatten stets ein gutes Verhältnis mit der Stadt, auch mit der Polizei. Man konnte miteinander sprechen und Lösungen finden. Solche Dinge wie sie jetzt ablaufen sind einfach unerklärlich. Ich unterstelle niemanden Böswilligkeit, es ist einfach nicht durchdacht.
Hat die Toleranz der Mitbürger abgenommen oder hat sich das KUGL und seine Besucher verändert?
Hier wird alles restriktiver. Es wäre schön wenn man diese Tendenz stoppen könnte. Aber der Mensch kommt an Situationen bei denen er Angst verspürt. Und vor diesen muss der Staat ihn dann wieder beschützen. Es ist schlicht und einfach ein Teufelskreis.
Hat der Mensch Angst vor der Entwicklung der Jugendkultur?
Ganz klar. Es geht nicht mal um lange Partys oder viel Alkohol. Ich würde es am besten mit einem wilden Tier vergleichen. Am Anfang ist es noch herzig und knuddelig und dann wird es immer grösser, entfremdet sich von einem und wird nicht mehr so leicht berechenbar. Was ist die einfachste Lösung? Du sperrst es weg.
Natürlich sind nicht alle so, wie an der Lancierung der Petition schön zu sehen war. Aber es gibt einige die ihre negative Einstellung laut herausschreien und so die viel grössere Masse übertönen wollen. Darunter leiden grossartige Leute. Zum Beispiel Safer Clubbing, was diese Leute unternehmen um die Jugend aufzuklären ist gewaltig. Es verändert sich alles. Durch die mediale Präsenz wird man automatisch vorsichtiger und ängstlicher. In jeder Generation hat es Personen gegeben die es übertrieben haben, nur hat man es früher nicht ständig vor Augen geführt bekommen.
Doch es ist die Zeit der grossen Umbrüche, nicht nur bei uns.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.