Dienstag, 19. Juli 2011

Offener Brief an Stadtpräsident T. Scheitlin

Sehr geehrter Herr Scheitlin

Folgend beziehen wir uns auf Ihr Schreiben, welches Sie uns kurz vor Beginn der
Sommerferien und der damit verbundenen Abwesenheit vieler Interessierten, als Antwort auf
die Petition ‚Das Recht auf Kultur‘ zukommen liessen.
 
In den gesammelten 6‘472 Unterschriften steckten grosse Hoffnungen, dass die Stadt sich
aktiv für den Erhalt des KuGl einsetzt und endlich den Puls einer lebendigen Jugendkultur zu
fühlen bekommt. Zudem erhofften wir uns nach den zahlreichen Zusicherungen und
Rückendeckungsversprechen eine konstruktive Antwort mit einem Inhalt der aufzeigt, welche
Möglichkeiten ausgeschöpft oder Massnahmen getroffen wurden oder noch werden. Denn
seit der Einreichung des Postulats ‚Hat St.Gallen ausgeKUGLt?‘ bis zu Ihrer Antwort auf die
Petition sind ein Jahr vergangen. Genug Zeit also, um proaktiv Zeichen zu setzen oder
konstruktive Lösungen zu erarbeiten und diese Aktivitäten uns dann mitzuteilen.

Ihr zweiseitiges Schreiben besteht aber lediglich aus einer 1 ¾ Seiten umfassenden
Zusammenfassung dessen, was im Fall KuGl in letzter Zeit rechtlich geändert wurde und wie
der aktuelle Stand ist. Ihr Schreiben besteht also aus 75% banalem Wiederholen von Dingen
die ein aufmerksamer Zeitungsleser sowieso bereits weiss.

Im letzten Absatz werden Sie dann konkreter: „Von der Stadtverwaltung wurde und wird –
neben der Möglichkeit eines Weiterbetriebes mit reduzierten nächtlichen bzw.
frühmorgendlichen Öffnungszeiten am jetzigen Ort – ein alternativer Standort für das KuGl
gesucht.“ Weiter heisst es: „Ihr Hinweis, die Stadt St.Gallen sei passiv und würde sich nicht
für den Erhalt des KuGl einsetzen, trifft deshalb nicht zu.“ Wir von Klartext werden also
widerlegt, bloss weil die Stadt sich für einen alternativen Standort einsetzt. Das stimmt so
nicht! Denn will man sich wirklich fürs KuGl einsetzen, reicht es nicht, nur nach neuen
Standorten zu suchen, während man dabei den ungerechten und unverhältnismässigen
Anfangskonflikt völlig ausser Acht lässt. So wird der Kläger auf ein Neues verhätschelt und
keiner der beteiligten Politiker oder Departements finden klare Worte, die diesen Missstand
anprangern.


In erster Linie denken wir hier natürlich an den Stadtrat Nino Cozzio, Direktor für Soziales
und Sicherheit. Jene Person in der Regierung, welcher dementsprechend viel am Erhalt
eines selbständig produzierenden Kulturbetriebes liegen müsste. Eine Person, die nach dem
Erhalt von 6‘472 Unterschriften – was fast 10% der gesamten Stadtbevölkerung ausmacht –
auf den Tisch hauen sollte und sagen müsste: Hier muss dringend etwas gemacht werden!
Doch bis heute schaffte es der Direktor für Soziales nicht, klar Stellung zu beziehen oder mit
innovativen Rettungsvorschlägen von sich reden zu machen. Stattdessen appellierte er stets
halblaut an Kompromissbereitschaft. Aber unter anderem auch das Jugendsekretariat machte keine Anzeichen, diesen für die Jugend herben Schlag zu dämpfen oder gar abzuwenden.
Im Gegenzug fand man andere Namen in der Presse vor, welche sich zum Thema
äusserten. Da hätten wir zum Beispiel Ernst Michel, Leiter für Baubewilligungen oder
Elisabeth Beéry, Direktorin Bau und Planung. Dass diese Personen aufgrund der
„rechtlichen Vorgaben“ nur begrenzt handlungs-und auskunftsfähig waren, liegt auf der
Hand.

Kommt dazu, dass Sie die Besucher des KuGl in Ihrer Antwort schon fast ein wenig zynisch
als „partyfreudige Jugendliche“ deren Veranstaltungen bis tief in die Nacht oder gar noch „bis
zum Morgengrauen stattfinden“ abstempeln und dass das KuGl darin praktisch nur als
Partyhöhle beschrieben wird, anstelle eines Ortes von kulturellen Wert.

Kombiniert man die Passivität der Stadtregierung mit dem, dass sie anscheinend noch eine
tiefere, gesellschaftliche Problematik in den unbegrenzten Öffnungszeiten sieht, drängt sich
eine beängstigte Erkenntnis auf: Die Stadt hat kein Interesse, die Anliegen der Jugend ernst
zu nehmen!

Das Traurigste an der ganzen Sache ist jedoch, dass die Stadt mit diesem Verhalten den
selben Weg einschlägt wie der kompromissablehnende und toleranzfremde Nachbar. Man
beruft sich stets auf „rechtliche Rahmenbedingungen“, lässt dafür kulturfremde Ämter den
Kopf hinhalten. Dass sich die Jugend aber ein starkes soziales Rückgrat wünscht, in einem
Kampf für ihre Interessen und gegen Beamtenwillkür, ist immer noch nicht erkannt worden
Ein Rückgrat, das mit öffentlichen und klaren Statements, aber vor allem auch Taten von
politisch sozialen Organen hätte geschaffen werden können!

Ein besonderes Augenmerk sollte man vor allem auf den vorher bereits erwähnten Rückzug
hinter die gesetzlichen Einschränkungen legen. Es ist verständlich, dass auch die Stadt die
Gerichtsentscheide zu respektieren und einzuhalten hat. Dennoch ist es gerechtfertigt, in
Zusammenhang mit dem Fall KuGl von einer passiven Haltung der Stadt zu sprechen. Am
besten lässt sich dies anhand eines Beispiels aufzeigen:
Die Regierung der Stadt gewährte dem Eidgenössischen Musikfest 2011 200‘000 Franken
zur Unterstützung und zusätzlich eine Defizitgarantie von 200‘000 Franken. Zudem wurde
das traditionellste aller st.gallischen Feste, das Kinderfest, kurzerhand um ein Jahr
verschoben, die Kantiprüfungen ebenfalls verlegt und an dem Ort, an welchem wir bei der
Lancierung der Petition gerne für ein paar Stündchen Musik laufen lassen wollten, für zwei
Wochen eine Bühne in der Höhe eines Hochhauses aufgestellt. Dass uns als Begründung
zum Nichterteilen der Musikbewilligung einen kommerziellen Hintergrund nachgesagt wurde,
grenzt unter Berücksichtigung des gelebten Solidaritätsgedanken aller Besucher an eine
Demütigung.

Diese Tatsachen zeigen zweierlei Dinge auf. Zum einen hätten wir die erfreuliche Botschaft,
dass man sich darum bemüht, Kulturelles zu fördern und auch bereit ist, dafür Traditionen
aufzugeben und Gewohnheiten zu brechen. Zum anderen zeigt es genau auf, was alles
möglich wäre und was im Fall KuGL versäumt wurde. Zudem muss man erkennen, dass die
Stadt kein Interesse hat, dass die Jugend etwas selbst in die Hand nimmt. Es geht so weit,
dass sie den Jugendlichen mit besagter Bewilligungsverweigerung sogar noch Steine in den
Weg legt und so versucht, sie mundtot zu machen. Ganz zu schweigen davon, dass beim
Musikfest die Nachfrage der Stadtbewohner ziemlich verhalten ausgefallen ist, während
beim Fall KuGl fast 10% mit ihrer Unterschrift das Anliegen aussprechen, die Stadt solle sich
mit ALLEN Mitteln um den Erhalt des Kulturlokals kümmern.

Quod erat demonstrandum: Herr E. Michel (Leiter Baubewilligungen) rechtfertigte sich im
Tagblatt vom 12. März 2011 auf die Kritik unsererseits an der erneut gewährten
Fristverlängerung zugunsten des Klägers, mit den Worten: „Solche Nachfristen seien üblich,
ja sogar die Regel.“ Im Vergleich zu den vorgenommenen Regel- und Traditionsbrüchen vom
Musikfest, scheint eine solche, gesetzlich nicht verankerte Regel doch das erste zu sein, wo
die Stadt aktiv ihr Interesse am Erhalt hätte aufzeigen können.

Daraus lässt sich eindeutig erkennen: Die Stadt St.Gallen ist zu passiv, um eine
Weiterführung des KuGl in gewohnter Form zu unterstützen!

Man hätte einige Möglichkeiten gehabt, der Eskalierung bis in die politisch höchsten Etagen
entgegenzuwirken. Wir von Klartext fragen uns zum Beispiel: Weshalb wurde keine
Projektgruppe gebildet, welche sich diesem Fall annimmt? Eine Projektgruppe, welche nicht
nur an der Lösung des Falles arbeitet, sondern auch eine koordinierende und
kommunizierende Funktion einnimmt.
Eigentlich hätten wir solche Massnahmen oder auch nur Ideen in Ihrem Antwortschreiben
erwartet. Leider erhielten wir ziemlich viel Nichtssagendes und nur spärlich Informationen,
was die Stadt zur Rettung beiträgt.
Warum wir auf so eine grosse Unterstützung pochen, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass
man eines nicht vergessen sollte: Die Stadt selbst ist dafür verantwortlich, dass der Kläger
überhaupt so weit kommen konnte. Ausschreibefehler, die niemals hätten gemacht werden
dürfen und deshalb von Ihnen geschickt verschweigt werden, sind ein wesentlicher Grund
dafür, weshalb wir, die Jugend, nun ein Stück Entfaltungsraum verlieren könnten.

Abschliessend bleibt uns Ihnen leider nur folgendes mitzuteilen: Ihr Antwortschreiben stellt
für uns eine Verhöhnung der Petition mit all ihren Befürwortern (6‘472 Unterschriften) dar.
Für die Stadt wäre es an der Zeit die laute Stimme der Jugend zu hören und endlich zu
handeln. Zu erkennen und zu akzeptieren, dass es nicht um partyfreudige Teenager geht,
sondern um Personen, denen ein Stück Kultur entrissen wird. Eine Jugend, die sich seit
nunmehr einem Jahr in einem ungleichen Kampf gegen Unverhältnismässigkeit und
Beamtenwillkür behauptet. In einem Kampf, in dem es einer einzigen Person möglich
gemacht wurde, die Jugend als Täter darzustellen.

Eine Jugend, die nun etwas von Ihnen fordert: Helfen Sie tatkräftig mit, dass das KuGl
erhalten bleibt und die Stadt St.Gallen nicht zu einer jugendkulturlosen Schläferstadt wird!
Die Jugend wird es Ihnen danken.

Freundliche Grüsse,
Klartext-SG





Um die vollständige Petitionsantwort des Stadtpräsidenten zu lesen, schreibt eine Mail an klartext-sg@hotmail.ch. Wir werden sie euch dann per Mail zukommen lassen!

13 Kommentare:

  1. wahre worte, de text bringt vieles uf de punkt!
    do wird immer die anschinend so super schwizer demokratie (mehrheit bestimmt und so) hochglobt, und doch stimmt d rechnig 6‘472 gege 1ne nöd- und ihr wunderet eu denn wido wisod jugend immer nume ide stadt am umehange isch, oder wa hender s'gfühl mached die lüüt wo am 3 müen usm kugl goh respektive im schlimmste fall gär kei kugl meh hend? dases eifach so usde stadt verschwindet? nöd im ernst oder?

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  2. grande, vor allem s verhalte vom nochbor mit dem vo de stadt selber vergliiche, guete schachzug. moll luege was sie sich jetzt usdenket. oder besser wies es damol verchaufed, dass sie sich ebe nix usdenket.

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  3. Ich wusste das die Stadt St. Gallen immer was gegen Jugendliche Treffpunkte hat/haben, aber dass es nur einem gelingt gegen über 6472 Unterschriften seine Position und seine Vitamin B-Kollegen überredet dem Jugend eine weitere Kulturplatz zu entnehmen. Das ist ungerecht gegenüber dem Jugend. Kein wunder das viel die Stadt St. Gallen als langweilig finden/bezeichnen und in grösseren Städten gehen und sich dort kulturel weiterzuentwicklen.
    Die Vertreter der Regierung von Stadt St. Gallen sollten sich schämen. Mehr kann man da leider nichts machen. Ich finde es schade das KuGl so hintergangen wird und man die Jugend nicht ernst nimmt.

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  4. Ich bin der Meinung, dass das KuGl unbedingt weiter bestehen soll - wenn vielleicht auch an einem anderen Standort.

    Bezüglich des aktuellen Standorts habe ich eine Frage:
    War es nicht grundsätzlich so, dass das KuGl bei der Inbetriebnahme am jetzigen Standort nur eine befristete Bewilligung für zwei Jahre bekommen hatte?

    Wenn das nämlich so ist, war nicht die Stadtverwaltung, sondern das KuGl zu passiv.

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  5. Liebe Klartexter, inhaltlich grandios und auch sehr eloquent verfasst. Nur, wenn ihr wollt, dass man euch ernst nimmt, gebt den Brief doch vor der Veröffentlichung einem Lektor. Es hat doch reichlich Orthografie- und Interpunktionsfehler, die an der Glaubwürdigkeit der Autoren zweifeln lässt - was ja überhaupt nicht der Fall ist!

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  6. Es ist ein Armutszeugnis für unsere "Stadtregierung", dass sie sich von diesem einen Nachbar auf der Nase rumtanzen lässt. Dieser Arsch klagt alles und jeden an, lebt in Streit mit allem was sich bewegt oder tönt. Ist doch kein Wunder, wenn er Polizeischutz anfordert. Und er bekommt ihn auch noch...

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  7. Daniel Stricker20. Juli 2011 um 11:13

    Interessanter Artikel. Vor allem für mich, der noch nicht so viel über diese unendliche Geschichte wusste. Bei einem Offenen Brief erwarte ich allerdings:
    1. Kürzer formulierte und konkrete Forderungen
    2. Kein Suhlen in der Opferrolle
    3. Weniger spitze Bemerkungen, die den Adressaten am Ende vor allem beleidigen.

    Punkt 2 und 3 gelten auch, wenn das KuGl tatsächlich Opfer ist und "die Stadt" tatsächlich untätig ist oder grobe Fehler gemacht hat.

    Mit diesem Brief kann man vielleicht a bisserl den eigenen Frust von der Seele schreiben. Aber mal ehrlich: Was soll der Stadtpräsident oder andere Gruppierungen aus diesem Schreiben genau ableiten? So abstrakte Dinge wie "Ausschuss bilden" oder "endlich Gas geben"? Zentrale Frage ist doch: Wie kann man den notwendigen Druck aufbauen damit die Entscheider sich bewegen. Dieser Brief trägt wenig dazu bei.

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  8. Entgegen dem Kommentarverfasser Daniel Stricker muss ich sagen, dass meiner Meinung nach ein offener Brief nicht unbedingt konkrete Forderungen enthalten muss.Zumal ja mit der Petition schon gefordert wurde. Auch die spitzen Bemerkungen (wo wird wer angegriffen?) finde ich nicht Fehl am Platze.Ich denke, dass das Ziel der Verfasser gewesen ist, sich nicht weiter auf der Nase rumtanzen zu lassen und dies klar aufzuzeigen. Das ist gelungen!!

    Top, dass sich die Jugend nicht unterkriegen lässt!

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  9. Hallo Zusammen,

    es freut uns ausserordentlich, dass hier so rege kommentiert wird.

    Zur Frage ob das KuGl nicht bei Inbetriebnahme eine befristete Bewilligung erhalten hat: So weit wir das wissen, erhielt das KuGl nie eine befristete Baubewilligung. Die Gastwirtschaftsbewilligung wird bei allen Betrieben alle zwei Jahre erneuert. Stets unklar war hingegen, ob der Güterbahnhof überbaut wird und das KuGl deshalb Platz machen müsste. Ansonsten ist uns nichts bekannt, was betreffend Bewilligungen bei Inbetriebsnahme aussergewöhnliches gelaufen ist.

    Liebe Grüsse, Klartext

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  10. Genau so soll es diesen jugendfremden Politiker mal gesagt werden!!! Yesss!!

    (de orthographie- und interpunktionstüpflischiisser het wohl nöd begriffe: vo jugendliche... für jugendlichi. wenn wege dem glaubwürdigkeit sinkt hemmers mit üble bünzlis ztue :()

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  11. Bünzlitum oder nicht - Lektorat ist Pflicht :)

    Ich persönlich finde dieses Blog vom Inhalt/Format/Design her auch eher mangelhaft. Wie werden Interessenten mobilisiert? Was sind die Kernanliegen? etc.

    Beispiele: http://www.opencongress.org/ oder http://www.dailykos.com/

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  12. Meine Meinung: die Kommentarfunktion sollte doch nicht dazu missbraucht werden, über Sprache oder Design zu diskutieren. Es geht um die Aussage die hinter all dem steckt. Und nur darum.

    Ich verstehe die Stadt nicht ganz. Wäre doch eine gute Möglichkeit aus diesem Zusammenhalt der Jugend eine lebendige Stadt zu formen. Dies würde auch uns älteren Generationen jung halten.

    Gruss

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  13. Im Grundsatz einverstanden, das Gefühl des "nicht ernst genommen werden" ist sehr wohl berechtigt. Was ich nicht gut finde, ist die persönliche Angriffigkeit, welche sehr wohl vorhanden ist. Manch ein St. Galler / -in hätte Grund dazu, z. B. König Michel den Marsch zu blasen (das war jetzt persönlich, ich weiss). Ausserdem vermisse ich jegliche Selbstkritik in der Diskussion (Einhaltung des geltenden Rechts, befristete Betriebsdauer).

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