Donnerstag, 2. August 2012

Medienmitteilung „Project X“

Es sollte eine grosse Sache werden: die nächste illegale Project X Party in den Drei Weiern. Dabei wurden alle potentiellen Teilnehmer/Innen im Vorhinein schon einmal als kriminell und gewaltbereit eingestuft. Schliesslich kamen rund 70 Personen, nicht viel mehr als an einem normalen 1. August-Vorabend.

Dass diese Veranstaltung vor allem die Polizei und besorgte Nachbarn beschäftigte ist bedenklich, veranschaulicht sie doch einige aktuelle Tendenzen und Thematiken:

Nach „Tanz dich frei“ in Bern und einigen Folgeveranstaltungen in weiteren Schweizer Städten verwundert es kaum, dass auch St.Gallen von der äusserst heterogenen Bewegung erfasst wurde. Auch St.Gallen spürt seit Jahren, dass Nachtkultur und gewisse Subkulturen per se zu einem Problemfaktor degradiert werden. Auch in St.Gallen sind bestehende Institutionen wie Clubs, Bars und Kulturzentren in ihrer Existenz bedroht, kämpfen um Öffnungszeiten, welche den Ansprüchen des Kulturpublikums gerecht werden und auch in St.Gallen wird der öffentliche Raum immer mehr reglementiert und wirtschaftlichen und sozialen Zwängen unterworfen. Wenn man den Anspruch hat, für einen Abend neben Gastro-Mogulen, verschiedenen Banken und dem motorisierten Privatverkehr den Marktplatz mit zu beanspruchen und für sich zu nutzen, geht es auch um Demokratie.

Es passt aber auch ins Bild, dass nach Veranstaltungen wie der ersten Project X Party negative Begleiterscheinungen, die es zweifelsohne gab, höher gewichtet werden als die Botschaften und die Forderungen, die dahinter stecken und eben auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. Und so spricht man über Flaschenwürfe, Abfallberge und über den Polizeieinsatz, anstatt sich zu fragen wieso 500 Jugendliche und Junggebliebene sich an einem exponierten Ort wie dem Marktplatz treffen.

Aktionen wie das Project X zeigen klar auf, dass nach wie vor kulturelle Bedürfnisse bestehen, die keinen Platz haben, ausgelebt zu werden. Sie zeigen auch, dass es bei grossen Menschenansammlungen immer Leute geben wird, die sich destruktiv verhalten. Sie zeigen aber vor allem, dass man mit Schubladisierungen, Verallgemeinerungen und dem Fakt, dass man die Diskussionen Polizeikommandanten und Hardlinern überlässt, keinesfalls weiterkommt. Die Geschehnisse der letzten drei Wochen zeigen auch auf wie destruktiv die Behörden, aber auch die Öffentlichkeit, reagieren und kulturelles Verständnis und Fingerspitzengefühl vermissen lassen, wenn man die Nachtkultur plötzlich auf den Strassen hat. Eine realistische Entwicklung, wenn man die Problematik rund ums KuGl und andere Clubs verfolgt.

Die Idee von Stadtrat Nino Cozzio, Jugendbewilligungen einzuführen, ist lobenswert und zeugt von einer gewissen Dynamik. Jedoch stellt sie für uns nicht die Lösung der Probleme dar. Mit Bewilligungen wird man der Komplexität der kulturellen Ansprüche und auch dem Verlangen nach Freiheit und Freiraum nicht gerecht.

6 Kommentare:

  1. True Words!!! Sehr gut geschrieben!!!

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  2. fairerweise muss man hier auch deutlich sagen, dass ein "veranstalter" einer solchen party in konstanz ermittelt wurde und mit einer busse von 227000!!!! Euro abgestraft wurde....wer sowas abbezahlen muss, wird lange zeit keine freiheit oder freiräume haben.....just think about!

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  3. Trifft genau den nerv! Leider schiebt man die jugend dauernd auf die seite und denkt nicht nach was für folgen es hat.

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  4. Kultur?

    Es ist verdammt wichtig, dass Jugendlichen ein Raum gegeben wird, in dem sie sich entfalten, Spass haben und feiern können.
    Gerade in einem scheinbar so gut funktionierenden Land (Ja, ich meine die Schweiz) sollte es mach- und umsetzbar sein, diesen Raum zu Verfügung zu stellen.

    In dem Beitrag werden die Worte "KULTUR" oder "kulturelle Bedürfnisse" verwendet, welche wohl schön klingen, aber nicht wirklich passend sind.

    Ich war zufällig in der Stadt als das Px stattfand... Leider musste ich sehen, wie 14-15 Jährige sich am Strassenrand die Seele aus dem Leib kotzen, weil sie sich ins Nirvana gesoffen haben. Ein junges Mädchen sass alleine auf einer Mauer... in ihrem Erbrochenen. WIeder ein anderer hatte sich den Fuss aufgeschnitten (Glasscherben am Boden mit Flip Flops an den Füssen ist offenbar keine gute Kombination)- Hierbei kann beim besten Willen nicht von Kultur - oder wenn überhaupt, nur von SAUF-Kultur- die Rede sein...

    Wir drück(t)en alle mal die Schulbank.

    Bringe folgende Gleichung auf einen gemeinsamen Nenner:

    -> Zusammenkommen, Feiern, Spass haben, Rücksicht auf jugendliche Bedürfnisse


    --> MITEINANDER Spass haben, Rücksicht auf Mitmenschen und Umwelt.


    Lösungshilfen: Die Lösung muss FAIR sein. FAIR ist eine Sache nur dann, wenn jede beteiligte Partei meint, dass sie am besten bei dem Deal aussteigt...


    Appell an die Politik: Macht was für eure zukünftigen Steuerzahler!

    Appell an die Jugend: Feiert, nicht randalieren!

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  5. @Deine Mudda: Die Diskussion darum, was Kultur ist und was nicht ist meiner Meinung nach müssig, hängt sie doch sehr stark mit der Definition vom Begriff zusammen und kann auch ziemlich offen ausgelegt werden. So würde ich zum Beispiel behaupten auch Alkoholkonsum ist eine Form von Kultur. (Natürlich würde ich mir auch wünschen, dass andere Formen von Kultur intensiver gelebt würden)

    Gegen deine Appelle an Vernunft, Rücksicht spricht gar nichts. Worauf Klartext wohl hinaus wollte, ist, dass man einen solchen Anlass nicht auf jene (stets eine Minderheit!) beschränken soll, die sich unvernünftig und rücksichtslos verhalten, weil man so der Komplexität der Ideen, Wünsche, Bedürfnisse und Forderungen aller Leute, die sich am Marktplatz aufhielten nicht gerecht wird.

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